Samstag, 13. Juli 2013
¶ Liebe
Ich kenne mich damit nicht so gut aus. Was ist das? Wohin geht das? Wie kann man damit weiter machen? Sollte man Angst davor haben? Wohin führt das alles? Das ist doch alles Unsinn! Und später dann? Ist man dann erwachsen? Ich habe Angst. Und überhaupt. Wohin soll das noch alles führen? Und überhaupt! Ich kenne mich da nicht so aus. Wo fängt das an? Das macht mir Angst. Die sagen, dass ist nicht gut. Aber vielleicht? Und überhaupt! Aber wozu? Das geht sich doch nicht gut aus. Später dann. Das hatte ich zu Anfang nicht gedacht. Aber wer weiß. Die laufen alle im Kreis. Das hinkt von vorne bis hinten. Aber wer weiß? Ich möchte das nicht. Wozu? Ich könnte dir eine Geschichte erzählen. Später dann. Aber wieso? Die haben damit angefangen. Aber wozu? Das geht sich nicht gut aus. Man könnte es wagen. Einmal, vielleicht. Oder zwei Mal. Das macht keinen Unterschied. Wo fing das an? Ich fürchte mich jetzt schon! Aber wozu? Könnte man doch auch anders. Zwei, drei Geschichten darüber. Letzten Endes. Aber. Nun ja. Anfangen. Hier. Falsches Tape. Dort hinten. Soll ich es wagen? Das macht nur Ärger. Wie lange noch? Das geht schon seit Ewigkeiten so. Man weiß ja nie. Wozu? Wann willst du endlich anfangen? Wovor hast du Angst? Du gehst einen Schritt zu weit. Anfangs ja, später nicht mehr. Das hört doch alles immer wieder auf! Alles auf Anfang. Wovor? Papierfalter? Im Kreis? In den Zwischenstellen. Aber wozu? Könnte man ja mal nachfragen. Vergiss es. Hin und wieder. Dein Herz schlägt. Triftt dich und. Mich



Sonntag, 5. August 2012
Vor ein paar Monaten habe ich eine meiner LiebslingsmittwitterInnen scherzhaft als Alien bezeichnet, da sie die Vorwendezeit nicht miterlebt hat. Stolz brüstete sie sich, aber immerhin vor dem Mauerfall geboren zu sein. Diese Tatsache, das gleiche Geburtsjahr, teilt sie mit Nadja Drygalla, aber vermutlich mehr auch nicht.

Die nicht abzustreitende Nähe von Frau Drygalla zur rechten Szene müsste meiner Alien-Theorie (Alles Neue macht der Umbruch) zufolge eigentlich nicht nachvollziehbar sein. Aber ebensowenig ist es kaum nachvollziehbar, dass der
Nationalsozialistische Untergrund, samt seiner Wendekindermitglieder, über ein Jahrzehnt sinnlos mordend durch die Republik ziehen konnte. Wie wurden die Feindbilder weitergegeben? Wer hat sie aufrecht erhalten? War das nur ein kleiner Teil der Bevölkerung oder wurden nationalistische Gesinnungen quer durch alle Bevölkerungsschichten bewußt oder bewußtlos weiter gepflegt?

Unermüdlich stemmte sich doch ein Großteil der Bevölkerung, vor allem nach der Wende und den Vorfällen in Rostock Lichtenhagen, gegen seine hässliche Vergangenheit und diskutierte in unterschiedlichen Rahmen über die Zukunftsperspektiven der scheinbar losen ostdeutschen Landstriche und versuchte neue Rituale des Gedenkens zu installieren und Aufklärungsarbeit zu leisten, wo sie im Schulunterricht der DDR häufig als zu selbstverständlich daherkam.

Die Installation der NPD in den Zonengebieten geschah natürlich auch nicht von ungefähr, da genauso wie Unternehmer oder die großen Parteien SPD und CDU natürlich auch die NPD in den Osten fuhr und für sich zu werben begann. Die Forschungen und Studien dazu sind zahlreich. Aber die NPD allein bildet nicht das ab, was an Ressentiments in der Bevölkerung weiterhin schwelt und schwelen wird. Die Verantwortliche für neue große Wellen der Entrüstung ist die Angst. Eine Angst, die von Thilo Sarrazin geschürt wird, von der Bankenkrise getragen wird, welche Austerität statt Austern fordert und die einen greifbaren und altbekannten Verursacher sucht. Es sind die Anderen, das Andere, das Merkwürdige, das Homosexuelle, das Sinnlose, Überflüssige, Hedonistische, das Sündige - das, was meinen Alltag durcheinander bringt, den ich mir mühselig und ordentlich eingerichtet habe, damit mich das System in Ruhe lässt, damit ich hier verdammt noch mal nicht untergehe und klarkomme. Verdammt noch mal!

Rostock existiert auch in Berlin Berliner Bierfest: Hohe Dichte an Londsdale, Consdaple und Thor Steinar Shirts über dicke Mahlsdorfer Bäuche oder Muskeloberarme gespannt. noch. Da mache sich mal keiner was vor. Und es ist das Berlin dieser Tage, nicht jener vergangenen Tage, wo Vietnamesen in Marzahn "abgestochen" wurden wie Vieh aus der Massentierhaltung, weil wegen "Scheiß Fidschis und so" und haste nicht gesehen.

Wer in diesen Tagen anfängt, auch nur irgendwie und weiß der Fuchs wozu, Angst zu schüren, dem kann nur eins geraten werden: Entspann dich verdammt noch mal, dreh auf, tanz dich halbtot, nimm Drogen, schrei es raus, engagiere dich (egal ob sinnlos oder nicht) und dann reden wir weiter.



Montag, 5. März 2012
There is nothing to fear but fear itself
Franklin D. Roosevelt

Ich lache laut auf, als ich die fertig gebaute Hütte, eine mit Holzästen und Planen umschlungene Waldbehausung, versehen mit einem Plastikwelldach, sehe. Besser ließen sich die Berliner Wohnungsmarktsituation, die Obdachlosensituation in Berlin und warme geplatzte Aussteigerwünsche nicht zusammenfassen. Here we go: Brandenburgische Waldfavela und mir fällt blitzartig eines meiner Lieblingsphotos aus der 57. Ausgabe der Colors (Slums/Baraccopoli) ein, wo ein Mann in einer Art Büro in Mexiko zu sitzen scheint, dessen Wände mit blauen Plastikmülltüten ausgekleidet wurden, in Anlehnung an eine luxuriöse Lederwand. Bildunterschrift: This place may be a trash dump, but it doesn't mean we're vulgar.

Martin ist weder unterprivilegierter Pöbel, noch wenig mit Schläue gesegnet. Es ist die Angst, die ihn antreibt. Er ist Mathematiker und kommt aus dem typischen Berliner Akademikerumfeld, welches sich anfangs im Friedrichshain niederlässt um eventuell später in grüneren und beschaulicheren Bezirken heimisch zu werden. Aber da tickt etwas in ihm, eine Uhr, eine Angstuhr und er zählt die Sekunden ab, die einzelnen Momente, um zu verdrängen und gleichzeitig seiner selbst habhaft zu werden. Neunundneunzig, einhundert, einhunderteins ...

Laut, lärmend, zugig und überfahren wirst du sowieso und danach liegengelassen. Berlin, im Film gezeichnet, irgendwo zwischen Moloch und Marzahn, rast lärmend auf dich zu, steckt dich in graue Plattenbauten und zerlegt deine Knochen in einzelne Teile in den letzten verbliebenen Abrisshäusern. Dabei liegt der Ausweg so nahe und kostet kaum vier Euro und schon bist du im Brandenburgischen Wald. Der gediegene Bürger assoziiert sich bei dem Gedanken an Brandenburg eine Laubhütte oder sein Häuschen und Ruhe und Schutz zusammen; für Martin wird dies die Wende seiner bisherigen bürgerlichen Biografie und ein Ausstieg aus der Angst. Wenn da nur nicht dieser kleine Junge wäre, den er in einem Abrisshaus kennengelernt hat und welcher ihn von nun ab begleiten wird.

Eine tiefsitzende Angst lässt sich nicht abstreifen, wie eine verflossene Liebe oder ein Karriereknick. Sie ist dein ständiger Begleiter und funkelt dich in stillen und schönen Momenten mit einem aufgerissenen Bulldoggenmaul an. Nice to meet you again, wirst du denken. Doch der Wald wird dich umarmen und reich beschenken mit seiner Fülle, seiner Weite und seinem Leben.

There is nothing left to loose
Drittes Studioalbum der Foofighters

Die Summe meiner einzelnen Teile



Samstag, 26. November 2011
Ich bin da raus, seit vier Jahren raus und merke nicht mehr viel davon. Ungewöhnliche anonyme Anrufe irritieren mich zwar noch immer und nächtliches Geklingle hat zuweilen immer noch den Effekt, dass ich für einige Stunden aufgwühlt bin, aber - ich bin raus.

Stalking hat bei mir massive körperliche Schäden hinterlassen, von dramatischem Übergewicht bis zu dramatischem Bluthochdruck. Ich neige manchmal immer noch dazu, unwillentlich aggressiv zu werden, Situationen im zwischenmenschlichen Bereich falsch einzuschätzen oder mir selbst zu schaden. Nicht grundsätzlich, aber zu häufig unwissentlich.

Und man merkt es immer zu spät.

Ich habe meinen Stalker nicht im Internet kennengelernt, sondern draußen in der freien Wildbahn. Aber in ihren Verhaltensweisen unterscheiden sie sich kaum, die Cyberstalker, wie die Echtzeitstalker. Als Betroffene mag man später auch kaum die Ursachen für ihr Verhalten wissen wollen, denn sie sind das Böse. Aber es gibt für Stalker durchaus auch Anlaufmöglichkeiten, sich mit sich selbst und ihrer Qual auseinanderzusetzen und sie sind nicht nur männlich.

Care about your lifetime.

Es ist niemals zu spät.



Sonntag, 24. Juli 2011
Was wäre die Situation, in der ich zu dir sprechen könnte, frei und entspannt. Wie sähe das aus? Bin ich nicht selbst voller Vorurteile an dich herangetreten? Nein, das kam alles erst später. Dafür war ich zum einen auch genauso kaputt wie du damals und ziellos. Angst hattest du mir gemacht, im ersten Moment unserer Liebe, einfach nur Angst. Eine Angst, die ich ergründen musste. It takes two to tango.

Du warst dazu in der Lage, jeden schönen Moment zu brechen und in eine heillose Katastrophe zu verwandeln. Das unterschied dich vielleicht etwas von J., der mich instinktiv verletzen konnte, dann aber einfach zum Tagesgeschehen überging. Wir, du und ich, weiteten dann alles ruckzuck zum Drama aus - damit konnten wir beide emotional umgehen.

Ich hab das ja häufig nicht bemerkt und mir wurde vieles erst später klar, zum Beispiel als wir in der Strandbar saßen und du aus allen Poren geschwitzt hattest, kaum zugänglich warst, wir rauchten einen Joint und ich war falsch eingestellt auf selektiven Seretoninwiederaufnahmehemmern, weil ich die eigentlich nicht brauchte. Ich sah dich durch einen weißen Schirm von glitzerndem Serotoninsyndrom, während du versuchtest deine ersten Turkeys abzuwenden. Absurder hätte alles nicht werden und sein können.

Was wir die nächsten zwei Jahre erlebten, wurde gen Ende eine Schocktherapie. Lauf nicht durch die Nacht nur mit einem T-Shirt bekleidet, bei Minus zehn Grad oder die andere, lass dich nicht einschüchtern, weil dich jemand dreißig mal am Tag anruft. Das ist keine Liebe, das ist Angst.