Sie nannten mich Blümchen, vermutlich weil ich die Jüngste war. Zu meinem 16. Geburtstag kamen sie in der Mittagspause auf den Schulhof und schenkten Blümchen zwei kleine Topfpflänzchen. Wir trugen gebrauchte Lederjacken und hingen am Wochenende meist im Prenzlauer Berg oder in Mitte rum, obwohl wir eigentlich aus Marzahn kamen, was uns aber niemand ansah. Wenn wir mit der Straßenbahn in die Stadt fuhren, saßen wir auf dem Schoß unserer Liebsten, redeten laut, meist angetrunken und bekifft über Musik und Literatur. Im Café Westphal spielten wir Schach und in der Schönhauser Fünf beschlugen im Winter unsere Brillen. In der Schönhauser Fünf stand ein Trabbi in der zweiten Etage und es gab Ausschank und irre viele betrunkene Menschen. Laute Musik. Punk vermutlich. Vermutlich machten Suff und Kiff die langen Strecken erträglicher. Jeder von uns war schon einmal an der Endstation der Straßenbahn verwirrt aufgewacht, weil er eingeschlafen war. Ich begleitete die Band eine Zeit lang als Freundin des Keyboarders und in einem stillem Moment eines Sommers saß ich am Schlagzeug. Ob sich später so eventuelle Liebschaften ergeben hätten? Oder vielleicht nur eine durchwachte Nacht mit hängendem Kondom aus der Hose?

Ich weiß nicht, wenn ich an Marzahn denke, denke ich vor allem an den Kienberg. Ich würde dort Wanderungen und revolutionäre Konzerte veranstalten, wenn ich Jungrevolutionärin wäre. Meine Geschichten sind Vergangenheit und stapeln sich dann immer, wenn ich mal wieder dort war. Es ist viel. Meine Kindheit und meine Jugend.




C. Westphal, Wydoks, verdammt.

Einer der vielen Orte, die ab und zu irrlichternd durchs Gehirn wabern und Erinnerungen wachrufen.