Mittwoch, 13. Juli 2011
Derzeit läuft im RBB Happiness (Todd Solondz) und ich werde schmerzhaft und zuweilen heiter an die endenden 90er erinnert, wo ich mit einer Freundin diesen Film in einem Kino sah und wir wie im Delirium das Kino nach Abspann verließen, kaum sprachen, einiges mal lachten, jeder für sich die kaputten Teile in seinem Leben oder dem Leben von Freunden, also auch unsere beiden, versuchte zu bespucken oder mit Spucke wieder zusammenzukleben.

Ununterbrochen deckt der Film alle zynischen Komponenten einer Mittelschicht auf, die von sich selbst glaubt, auf der moralisch sicheren Seite zu sein und immer knapp vor dem Abgrund steht, in jeder Pose und jeder Willensbekundung. Zumindest gab es Ende der 90er noch keine großartigen finanziellen Probleme in der Mittelschicht.

Die Ästhetik des Films, seine Geschichte und seine Sujets wirken auf mich allzu bekannt und wirklich hineinfallen tue ich da jetzt auch nicht und klappe mein Handy auf, wo Mrs. Monkeypenny einen Artikel auf Twitter verlinkt.

Ahja, denke ich, nachdem ich zu Ende gelesen habe. Geht wohl um Popscheiße. Und so leid es mir tut, weil ich mag junge Literatur, aber der Text von Antonia Baum war wirklich langweilig. Egal. Zurück zu Mrs. Monkeypenny. ( I am more addicted to Steffen Popp)

Ich komme aus einer sehr witzigen Generation, weil ich Anfang 1998 zu jung war, um richtig mitspielen zu können, mit 20 Jahren und im Prinzip heute schon zu alt bin, als dass mich jemand popliterarisch verführen könnte. Jedoch bin ich nun einfach mal überhaupt nicht alt, sondern quasi die Mitte der Gesellschaft, also ein Teil derjenigen, die jetzt allmählich großes Mitspracherecht haben müssten. Politisch, sowie kulturell. Die Frage ist, haben wir das?

Meine Biographie ist jetzt so, dass ich, sowie einer großer Teil meiner Freunde wirklich alles mitgenommen haben zwischen zwanzig (oder früher) und dreißig. Wir waren schamlos, respektlos, experimentierfreudig, lernfreudig und finanziell sicher gestellt. Und vor allem Wendekinder. Und wir kennen alles.

Uns hat die Vielfalt erwischt. Jeder hat einen einzigartigen Lebensentwurf vollbracht, beinah jeder hat das Dogma Arbeit erreicht, auf so vielfältige und komplexe Art und Weise, dass man tatsächlich staunen müsste. Meine Eltern tun das schon, wenn ich von Freunden und deren Lebenswegen erzähle (meine katastrophale Wegbegehung kennen einige Leser). Sie hatten es einfacher und zugleich war alles schmalspuriger und knapper, aber rutschfest.

So als wäre der Zwang obsolet geworden, ging plötzlich mit der Rente meines Vaters etwas Hand in Hand. Als suchte er die Freiheit und nähme jetzt das, was sich böte und zwar in Panoramaaufnahme. Nicht mehr einzelne Nächte, sondern das große Ganze sollte es sein. Der Geschichte nach war es ein Zufall und seine Jugendliebe (gleichaltrig) meldete sich plötzlich bei ihm und die Dinge nahmen ihren Lauf und stoppen erst, als er bemerkte, dass er das Chaos im Bad seiner Jugendliebe nicht mochte und sie sich von ihrem Mann nicht trennen konnte. Der soufflierte Spruch seines Vaters (Jahrgang 1901) begleitete ihn fortan, verfolgte ihn geradezu monatelang: "Egal welche Frau du nimmst. Sie sind alle letzten Endes gleich."

Ich habe die Hoffnung, mein Vater hat den Spruch seines Vaters für sich selbst dann doch klammheimlich widerlegen können. Der Glücksmoment ist der, entdecken zu dürfen, frei, zwanglos und angstfrei.