Montag, 5. März 2012
There is nothing to fear but fear itself
Franklin D. Roosevelt

Ich lache laut auf, als ich die fertig gebaute Hütte, eine mit Holzästen und Planen umschlungene Waldbehausung, versehen mit einem Plastikwelldach, sehe. Besser ließen sich die Berliner Wohnungsmarktsituation, die Obdachlosensituation in Berlin und warme geplatzte Aussteigerwünsche nicht zusammenfassen. Here we go: Brandenburgische Waldfavela und mir fällt blitzartig eines meiner Lieblingsphotos aus der 57. Ausgabe der Colors (Slums/Baraccopoli) ein, wo ein Mann in einer Art Büro in Mexiko zu sitzen scheint, dessen Wände mit blauen Plastikmülltüten ausgekleidet wurden, in Anlehnung an eine luxuriöse Lederwand. Bildunterschrift: This place may be a trash dump, but it doesn't mean we're vulgar.

Martin ist weder unterprivilegierter Pöbel, noch wenig mit Schläue gesegnet. Es ist die Angst, die ihn antreibt. Er ist Mathematiker und kommt aus dem typischen Berliner Akademikerumfeld, welches sich anfangs im Friedrichshain niederlässt um eventuell später in grüneren und beschaulicheren Bezirken heimisch zu werden. Aber da tickt etwas in ihm, eine Uhr, eine Angstuhr und er zählt die Sekunden ab, die einzelnen Momente, um zu verdrängen und gleichzeitig seiner selbst habhaft zu werden. Neunundneunzig, einhundert, einhunderteins ...

Laut, lärmend, zugig und überfahren wirst du sowieso und danach liegengelassen. Berlin, im Film gezeichnet, irgendwo zwischen Moloch und Marzahn, rast lärmend auf dich zu, steckt dich in graue Plattenbauten und zerlegt deine Knochen in einzelne Teile in den letzten verbliebenen Abrisshäusern. Dabei liegt der Ausweg so nahe und kostet kaum vier Euro und schon bist du im Brandenburgischen Wald. Der gediegene Bürger assoziiert sich bei dem Gedanken an Brandenburg eine Laubhütte oder sein Häuschen und Ruhe und Schutz zusammen; für Martin wird dies die Wende seiner bisherigen bürgerlichen Biografie und ein Ausstieg aus der Angst. Wenn da nur nicht dieser kleine Junge wäre, den er in einem Abrisshaus kennengelernt hat und welcher ihn von nun ab begleiten wird.

Eine tiefsitzende Angst lässt sich nicht abstreifen, wie eine verflossene Liebe oder ein Karriereknick. Sie ist dein ständiger Begleiter und funkelt dich in stillen und schönen Momenten mit einem aufgerissenen Bulldoggenmaul an. Nice to meet you again, wirst du denken. Doch der Wald wird dich umarmen und reich beschenken mit seiner Fülle, seiner Weite und seinem Leben.

There is nothing left to loose
Drittes Studioalbum der Foofighters

Die Summe meiner einzelnen Teile