Donnerstag, 29. September 2011
Der Wiedereröffnung dieses Blogs ging ein Gedanke voraus, ein recht starker Gedanke aus dem 20. Jahrhundert - dem der Haltung. Hinzu kam dann später noch die Generationenfrage mit versteckter Anspielung auf die Zonenfrage, sowie der Feminismus. Die Kombination dieser vier Themen kulminierte für mich mit dem Besuch der Lesung von Alice Schwarzers Autobiographie, welche hier besprochen wurde und ich kann der Autorin vollumempfänglich zustimmen - mein Eindruck war ein ähnlicher. Wobei ich sehr froh war, dass in dieser recht intimen Situation, die ein Theaterraum in der Lage ist zu erzeugen, die laute, spitzzüngige und pointensichere Alice Schwarzer der Fernsehstudios nicht anwesend war, sondern eine gestandene Frau, die selbstbewusst und mit der Versiertheit einer guten Journalistin ihr Buch promotete, so dass es sehr angenehm war.

Ich bin weder mit Alice Schwarzer aufgewachsen, noch lag sie in den Betten meiner Eltern, aber ich konnte einen direkten Vergleich zu meiner Tante ziehen, die zwar etwas jünger ist, sich aber als Radiojournalistin Ende der 60er Jahre in der DDR auch ihren Weg bahnte. Und mir geht es nicht um ein typisches DDR - Frauenbild, sondern darum, wie man sich als Journalistin und Frau in der Berufswelt versuchte zu definieren, denn darum geht es auch zu großen Teilen in Alice Schwarzers Biographie. Die Kämpfe waren da durchaus sehr verschieden. Während meine Tante Probleme mit dem System bekam, konnte sich Alice Schwarzer ihrer Meinungsfreiheit sicher sein. Sicher insofern, dass sie keine staatlichen Repressionen fürchten musste, was aber natürlich nicht heißt - sie hätte es einfach gehabt. Alice Schwarzer näherte sich Alice Schwarzer an und sie erzählte und las von den Hasstiraden, die ihr teilweise entgegen geschlagen sind, von den Bemühungen, eine starke Persönlichkeit zu werden, engagiert und nicht zimperlich. Irgendwann kam ich an den Punkt, wo mir etwas missfiel - ich kann nicht genau sagen, was es war, ob es ihre thematische Fixiertheit auf bestimmte Punkte war, die ich als lächerlich empfand, während sie andere Themen großzügig wegwitzelte, die ich besprechungswürdig gefunden hätte oder ihre merkwürdige Naivität, die manchmal durchschimmerte. Eine Kombination aus allem, vermutlich.

Es ist immer so ein wenig mit den lauten Stimmen, dass diese häufig Glück gehabt hatten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein, um mit einer plötzlich interessanten anderen Haltung, bestimmter Kleidungswahl und professioneller Kommunikation einer Bewegung eine Stimme zu verleihen und zudem häufig auch von der Bewegung selbst stark kritisiert werden, sei es aus Gründen des nicht Gönnen Könnens oder aus inhaltlichen Gründen. Aber die Bewegung selbst sind sie nicht und jede einzelne weibliche Biographie ihrer Generation wird ihr sagen können: Alice, ich bin nicht wie du, aber du hast mich geprägt. Ob nun indirekt oder direkt.