Montag, 29. Oktober 2012
Bin unterwegs.

Mich hat die Unruhe erfasst.

Ein mir bekanntes Durcheinander und ich mag es.

Bis bald.



Samstag, 6. Oktober 2012
All das kennst du zu Genüge, jede Räumlichkeit steht unter dem Beschuss deiner Erinnerungen und zurück bleiben funktionale Räume. Theater(t)räume. Die Veränderungen kommen manchmal schleichend daher und manchmal stehen sie wie eine vom Himmel gefallene Skelett-Combo mitten im Raum und müssen akzeptiert werden. Einen Haken dahinter. Es ist neu und es gefällt. Es ist anders und ich bin nicht mehr jung. Ein wenig habe ich das Gefühl, mir liefe die Zeit davon. Nicht darum, was jetzt ist oder passiert, aber darum, dass ich die Geschichten von damals vergessen könnte. Schlichtweg vergessen könnte und darum wäre es schade. Ich versuche ihnen eine Form zu geben, die mein Ensemble der Erinnerungen stützt.

PS: Das sagte doch dieser eine Sommertag zu mir: Die Erzählbarkeit. Es ist alles erzählbar geworden.



Montag, 1. Oktober 2012
Es war zu keiner Zeit vorbei. Ich begreife allmählich, während ich seine Stimme und seine Augen abtaste. Darin sind wir uns ähnlich - nach abgelegten Geständnissen gehen wir liebevoll miteinander um. Ich weiß nicht, was das im Moment mit mir macht. Es ist ihr Leid, welches ich nicht zu lindern weiß oder wüsste.
Es war zu keiner Zeit vorbei. Weder zu Beginn, noch mittendrin, noch neulich. Noch jetzt. Und es quält.

PS: Oder wie meine Tante sagte: "Deine Großmutter konnte sich nicht entscheiden."



Mittwoch, 12. September 2012
Die Hysterie blieb aus, obwohl sie angesichts der Tatsache der erneuten Erkältung, sowie darauf folgender Bronchitis und eingedenk der Umstände, dass dies letztes Jahr um die gleiche Zeit geschah, mehr als berechtigt gewesen wäre. Aber was wäre es lächerlich zu glauben, es gäbe Jahrestage. Jahrestage, welche fluchartig Wiederholungen nach sich zögen. So als geschähe ein Kriegsausbruch immerfort jährlich wieder und eine Befriedung ebenso. Jetzt ist es wieder einmal vorbei für eine geraume Zeit und seit letztem Jahr hat sich prinzipiell nichts ereignet. Ich weiß zuweilen auch nicht, wie ich mit diesem Nichts umgehen soll und bin doch dabei, es zu genießen. Ich regeneriere schneller, setze meine Füße fester auf den Boden, bin entschlussfreudiger, achtsamer und klarer, als ich es je zuvor war. Geheilt - habe ich diesen Sommer festgestellt und einiges an Seiten runtergetippt. Noch nichts großartiges, nichts weltbewegendes, aber es macht sich langsam wieder und die Frage bleibt natürlich: Wohin jetzt? Wohin mit der restlichen schönen Lebenszeit und wie ausfüllen? Das mag sich etwas merkwürdig anhören. Sogar in meinen Ohren klingt es etwas verschroben und esoterisch. Aber ich kann und darf und will mich jetzt wieder allem aussetzen, was sich mir bietet, was ich gutheiße, was zu mir passt, was ich will und möchte. Keine so schlechte Ausgangsposition und das Gepäck ist geschultert, die Schuhe sind geputzt, die Kleidung müsste noch in die Reinigung, die Einladungskarten werden bald verschickt und dann wird gefeiert. In Extase, im Saloonrausch und mit schwerer Ballmüdigkeit in den Haarspitzen gen Morgengrauen wird abgeblendet. Es soll euch an nichts mangeln. Meine ganze Wohnung ist exklusiv mit Sekt benetzt.



Samstag, 8. September 2012
Ich bin mir nicht sicher, ob er ein Holzfäller oder ein Holländer ist. Aber er hat sich mit den Trunkenbolden der russischen Mafia eingelassen, um Konservenfabriken verschwinden zu lassen. Mich nennt er Lizza Lavazza und eine Trompete, auf der ich sitze, springt von Fichtenwipfel zu Fichtenwipfel. Die Trompete kontrolliert mich, nicht ich sie.

Nächte II

Würde mir jemand davon erzählen, würde ich erwidern - warum erzählst du mir Träume, die du dir ausgedacht hast. „Das ist doch nicht wahr!“, sage ich zu Peter, der Lumpenfrau. Ich schnelle aus meinem Wachtraum hoch. Aber das war noch längst nicht alles gewesen. Die Lumpenfrau hockt an meinem Bettende, wird immer kleiner und lacht gehässig, wie ein Kinderalptraum. Ich lache zurück, stehe auf, koche mir einen Kaffee und überlege, was eigentlich passiert war, außer dass ich die Musik lauter gedreht habe, tatsächlich lauter gedreht habe, per schriftlicher Anweisung lauter werden ließ. Es ist bereits später Nachmittag geworden. Ein Volvo fährt die russischen Eisenbahnschienen entlang nach Nowosibirsk. Neben dem Fahrer sitzt eine zweite Gestalt, die nach längerem Hinschauen sich als die Seele des Fahrers entpuppt. Sie sieht seinem Körper ähnlich, nur dass sie leicht bläulich angelaufen ist. Ach, das habe ich nicht geträumt, vermutlich nur im Fernsehen gesehen. Das Auto fährt Tag und Nacht. Es hält selten an. In der Nacht ist es allein. Es hat seine Frau verlassen. Die Scheinwerfer sind auf den Landstraßen ziemlich allein. Es tut mir leid. Du bist ein Geist auf der Autobahn und ich liebe dich für immer. Aber ich fliege ihm auf der Trompete hinterher und der Fahrer mit dem grauen Bart spricht immer wieder zu seiner Seele: „Los, wach auf - die Trompetenhexe ist ein Mann!“ Deine Augen sind auf den Fahrstreifen gerichtet. Die Seele ist wortkarg, wird immer blasser und verschwindet beinah, als der Fahrer einen hauchdünnen Morgennebel durchquert. Der Autofahrer lächelt mich an und das Lächeln landet Stunden später in meinem Schoß und sieht wie eine verquollene dunkle Wattewolke aus. Am Abend habe ich ihn wieder eingeholt. Ich trompete ein paar Morsesignale in die dunkle russische Waldlandschaft hinein - Ich bin kein Mann und auch keine Hexe! Er wirft mir ein Video zu. Ich fange das Band mit den Händen auf und dann greift ein Lassoende um meinen Hals, holt mich zu ihm herunter und er fragt gehetzt, beinah atemlos:
„Hast du es angeschaut?“ Seine Augen sind übermüdet, so als hätte er drei Tage lang nicht geschlafen. „Ja, deine Frau hat dich betrogen!“, antworte ich kühl, gefesselt auf dem Rücksitz liegend. Das Video hatte ich nicht angesehen, da er mir keine Zeit dafür ließ, aber seine Augen sprechen Bände. Er löst mir das Seil vom Hals und lässt mich in seinem Auto übernachten. Die Trompete hatte schlussendlich keine Lust mehr zu fliegen. Uns umwirbeln die Tauwinde und Morgennebel einer polnischen Landschaft und das Auto fährt weiter und weiter. Vermutlich bin ich wieder eingeschlafen. Aber warum kann ich auf einer Trompete fliegen und habe dabei nicht einmal das Gefühl, der Autofahrer erzählt mir ein Märchen nach dem anderen. Esmeralda umtanzt den Glöckner, welcher zwielichtige Selbstgespräche mit den Geisterjägern führt, um nicht als Robert de Niro zu enden. Zweites Aufwachen.Ein Stoffbeutel hielt mir einen Vortag über den Satanskult. Währenddessen hielt er eine kleine Strohpuppe in der Hand und brach ihr gegen Ende das Genick. „Das war deine ehemalige Schulfreundin!“, grinst er und ich laufe schon wieder auf drei Stelzen, obwohl zwei gereicht hätten. Der Volvofahrer ist immer noch nicht angekommen - er wird nie ankommen, denke ich so bei mir. Er schickt mir ein Telegramm - Lizza - Lavazza - in drei Tagen erreichen wir wohl die polnische Grenze. Vor sechs Tagen hat er Berlin verlassen. Ich bin irritiert und vergesse Einstein. Das Auto ist sicherlich kaputt. Niemand braucht neun Tage bis zur polnischen Grenze, wenn er von Berlin aus losgefahren ist. Kleinigkeiten übersehe ich gern, um sie alsbald groß aufzubauschen.



Montag, 19. Dezember 2011
¶ Wait
I am a drunken driver and I am driving drunk and drunk and drunk and drunk ....
Wieviel Erinnerung lässt sich aus diesem Jahr scheffeln und wieviel will ich, darf ich davon preisgeben. Was hält davon noch stand und wo waren häufig die Enden und die Anfänge, zwischen Mustern von Revolutionen. Ja, ich mag das Wort manchmal ganz gern.

Tapsen von Tag zu Tag und den Erinnerungsstress clustern in sortierte Ordner und der anderthalb Tonnen Müll kommt raus. Ich bitte. Hier dich. Du schreibst immer aus der Ich-Perspektive. Wobei? No, it is not 2000 anymore. Das ist doch das Gestern.

Mich werden nicht alle Menschen mögen, die ich dieses Jahr getroffen habe, komplett neu getroffen und neu kennengelernt habe, aber ich habe viel Liebe erfahren, viel neues erfahren, unendlich viel dazugelernt, neue Wege beschritten und mein Herz geöffnet. Time and again. Es ist nicht leicht. Immer wieder nicht. Aber wozu sonst?



Freitag, 1. Juli 2011
Und was wäre, wenn ich den Widerstand aufgäbe, nach all den Jahren und den Teil akzeptiere, der Fleiß, Haltung, Ehrfurcht, Klarheit und ein wenig Härte verkörpert. Die ordentlich gekämmten Haare meines Vaters, seine Entdeckerfreude und dann, als er mit 15 Jahren eine Lehrerin geohrfeigt hat. Der unbedingte Willen meiner Tante, ihre Rebellion und ihre Wut gegenüber Ungerechtigkeiten. Ich lasse es zu, so wie ich den Anteil meiner Mutter zugelassen habe. Denn das brauche ich jetzt, die innere Unterstützung meiner Verwandtschaft und ich lasse ihre Erzählungen vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. So sehr. So sehr.